Diese Geschichte wird laufend weitergeschrieben. Also schaut immer mal wieder rein!

 

Das Reich Devaness

 

Müde ließ sich Ben in den Sitz seines Autos fallen. Er war froh, die Nacht endlich hinter sich gebracht zu haben  Sein Dienst im Krankenhaus war sehr anstrengend gewesen und er wollte nur noch nach Hause, unter die Dusche und dann ins Bett. Ab morgen hatte er ein paar Tage frei und die gedachte er ganz ruhig zu verbringen...zum See fahren - er besaß dort eine kleine Hütte - ein bisschen joggen, angeln und abends auf der Veranda sitzen und mal wieder ein gutes Buch lesen. Vor allem aber viel schlafen.

Aber jetzt erst mal nach Hause.

Er startete den Motor seines Wagens und reihte sich in den fließenden Verkehr ein.

Eine viertel Stunde später hatte er die Stadt hinter sich gelassen. Noch ein paar Kilometer Landstraße, dann war er endlich zu Hause. Nur wenige Fahrzeuge waren hier jetzt noch unterwegs und so schweiften seine Gedanken ab zum nächsten Tag. Er freute sich sehr auf seine Hütte am See. Sein Beruf als Oberarzt, mit Ambitionen auf den Chefarzttitel, forderte ihn ganz und gar. Freizeit war da selten. Nachdem er geduscht und eine Kleinigkeit gegessen hatte, legte er sich schlafen.

 

Gut gelaunt und ausgeschlafen machte er sich am nächsten Tag, bei strahlendem Sonnenschein, auf den Weg zum See.

Es war früher Vormittag, als er ihn erreichte. Ben öffnete erstmal alle Fenster der Hütte, sah sich um und wurde sich bewusst, wie lange er schon nicht mehr hier gewesen war.

Nachdem er seine Vorräte verstaut und den Grill aufgebaut hatte, den er mitgebracht hatte, holte er sich eine Flasche Bier und die Hängematte aus der Hütte, hängte sie auf der Veranda auf und ließ sich zufrieden hineinfallen. Heute Abend gibt es frischen Fisch, dachte er, während er sein Bier genoss. Eine Weile döste er noch in der Sonne, dann raffte er sich auf, packte seine Angelutensilien zusammen, machte das kleine Motorboot, das am Ufer lag, klar und fuhr hinaus auf den See, um sich sein Abendessen zu fangen. Als er etwa in der Mitte des Sees war, warf er seine Angel aus und legte sich auf den Boden des Bootes. Er freute sich schon auf den frischen Fisch...gegrillt...mit Dillbutter...

 

Ben fror, als er erwachte. Es war stockdunkel. Noch benommen vom Schlaf, versuchte er sich zu erinnern, wo er war. Ihm fiel wieder ein, dass er auf den See hinausgefahren war, seine Angel ausgeworfen und sich auf den Boden des Bootes in die Sonne gelegt hatte. Jetzt waren seine Kleider klamm und es war kalt. Er richtete sich auf, um zu sehen, wo sein Boot hingetrieben war. Über dem See lag dichter Nebel. Man konnte nicht die Hand vor Augen sehen, geschweige denn das Ufer. Verflixt, dachte er, ich bin eingeschlafen

und muss ziemlich lange geschlafen haben. Aber das ist ja auch kein Wunder - die ständigen Nachtdienste in der Klinik und das Bier, das ich heute getrunken habe. Es war zwar noch nicht mal eine Flasche gewesen, aber er trank sonst so gut wie nie Alkohol. Ben nahm seinen Job als Arzt sehr ernst und erlaubte sich so gut wie nie, ein Bier oder Wein zu trinken, denn jederzeit könnte ein Anruf aus der Klinik kommen.

Leise vor sich hin fluchend stand er auf, um den Motor des Bootes zu starten. So groß war der See ja nicht. Irgendwo musste er ja an ein Ufer kommen. Von da aus würde er dann schon den Weg zu seiner Hütte finden. Doch bevor er den kleinen Außenbordmotor erreichte, rutschte er auf dem vom Nebel feuchten Holzboden des Bootes aus und stürzte ins Wasser.



Nervös schaute Ulf Hartmann auf seine Uhr. Er saß auf dem Flur der Polizei und wartete, dass einer der Polizisten endlich Zeit für ihn hatte. Er machte sich große Sorgen um seinen besten Freund. Vor sechs Tagen war Ben zu seiner Hütte am See gefahren. Eigentlich hätte er vor drei Tagen schon wieder arbeiten müssen, war aber nicht in der Klinik erschienen.  Die beiden Männer arbeiteten zusammen im Luisen Krankenhaus und waren schon seit ihrem Studium sehr eng befreundet.

Ulf hatte bestimmt gefühlte hundert Mal versucht Ben anzurufen, aber er ging einfach nicht an sein Handy. Heute morgen war er dann zu Bens Hütte gefahren um nach seinem Freund zu sehen.

 

Er betrat die gemütliche Veranda und schaute sich um. Die Hängematte, die Ben schon vor längerer Zeit angebracht hatte, schaukelte leicht in der frischen Brise, die vom See herkam.

Auf dem Tischchen daneben stand eine Bierflasche, die nicht ganz ausgetrunken war. Eine Fliege schwamm in dem kleinen Rest Bier und versuchte sich laut summend daraus zu befreien. Neben der Bierflasche lag eine Fachzeitschrift für Ärzte. Ulf schüttelte grinsend den Kopf. Nicht mal hier vergisst Ben seine Karriere, dachte er

Die Tür und die Fenster der Hütte standen weit offen. Als er eintrat, sah er Bens Kleidung, die unordentlich über einen Sessel geworfen worden war. Seine Sporttasche stand offen auf dem Stuhl. Seine Schuhe lagen mitten im Raum.

Ulf schaute sich weiter um und entdeckte, neben einer benutzten Kaffeetasse und einem Teller voller Brötchenkrümel, Bens Handy auf dem Esstisch.

Komisch, dachte Ulf. Ben konnte sich sonst nicht mal bei der Arbeit von seinem Handy trennen.

Er schaute aus dem Fenster und suchte das Ufer nach dem Boot ab, konnte es aber nirgendwo sehen, auch nicht auf dem See.

Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.

Zutiefst beunruhigt beschloss er, zur Polizei zu gehen und da saß er nun und wartete.

Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete sich eine Tür. "Herr Hartmann bitte". Ulf stand auf und ging zu der Polizeibeamtin, die ihn  mit einer einladenden Geste in ihr Büro bat.

“Was kann ich für sie tun?" fragte sie, als Ulf Platz genommen hatte. 

Ulf erzählte ihr seine Geschichte. 

Die Polizeibeamtin -  die Muriel Keller hieß, wie Ulf auf dem Schild an ihrer Uniform lesen konnte - hörte ruhig zu. Ab und zu stellte sie ein Frage und machte sich Notizen.  " Und deshalb bin ich jetzt hier", beendete Ulf seinen Bericht. 

 “Haben Sie ein Bild von ihrem Freund”? Ulf überlegte. “Ja sicher, auf meinem Handy”. Sie gab ihm ihre Emailadresse und er schickte ihr ein Foto von Ben. "Wir geben das Bild in die Fahndung. Mehr können wir im Moment nicht machen. Wenn sie mir ihre Telefonnummer geben, benachrichtige ich sie, sobald es etwas Neues gibt". 

Ulf bedankte sich und ging.

 

Ben strampelte wild mit Armen und Beinen. Plötzlich hörte er eine männliche Stimme: “Ganz ruhig. Alles ist gut”. Langsam wurde Ben wach und merkte, dass er nicht mehr im Wasser war. Völlig verwirrt sah er sich um. Er lag in einem Bett. Daneben stand ein Mann mit sehr eigentümlichem Aussehen. Er war groß, hatte eine schlanke Figur, trug eine Art langen weißen Mantel und hatte lange graue Haare. “Ah, ihr seid endlich aufgewacht”, sagte er mit tiefer, weicher Stimme. 

“Wer sind sie und wo bin ich?”, fragte Ben immer noch verwirrt. Der Mann lachte leise. "Ich weiß, ihr habt viele Fragen. Stärkt euch erstmal und danach werde ich sie alle beantworten".
Die Tür öffnete sich und eine junge Frau mit einem Tablett in der Hand betrat das Zimmer. Leise stellte sie es auf einem Schränkchen neben dem Bett ab, verneigte sich leicht vor ihm und dem Fremden und verließ wortlos wieder das Zimmer.

 “Esst und danach ruht euch noch etwas aus”, sagte der Fremde lächelnd und verließ ebenfalls das Zimmer.

Ben blickte auf den Teller, der auf dem Nachtschränkchen stand. Er sah einen großen Teller mit Obst und ein Stück Käse. Auf einem anderen Teller lagen Fischstücke, die in die Blätter einer Grünpflanze eingewickelt waren. Die Blätter sahen aus wie Löwenzahnblätter. Vorsichtig probierte er. Schmeckt gar nicht schlecht, dachte er und schob sich noch so ein kleines Fischpaket in den Mund. Erst jetzt merkte er, wie hungrig er war. 

Als er gegessen hatte, schaute er sich im Zimmer um. Die Wände waren aus weißem Stein. Bestimmt Marmor, dachte Ben und ein kleines bisschen Ehrfurcht stieg in ihm hoch. Das Bett, in dem er lag, war aus sehr hellem Holz und am Kopf- und Fußende befanden sich wunderschöne florale Schnitzereien. Auch die Fensterrahmen waren aus diesem Holz und hatten die gleichen Schnitzereien. Die Fenster waren oben rund und gingen bis zum Boden. Rechts vom Bett stand ein Tisch und zwei Stühle. Auf einem der Stühle lag, frisch gewaschen, seine Kleidung. Zufrieden und satt legte er sich wieder hin und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Wo ich wohl bin? dachte er. Was war überhaupt passiert? Ben überlegte, konnte sich aber nicht erinnern, wie er hierher gekommen war. Auch an seinen Namen oder sein Alter konnte er sich nicht mehr erinnern. Vielleicht weiß mein Gastgeber mehr, griff nach seinen Sachen und zog sich an.

Ulf fuhr zurück in seine Wohnung. Unterwegs hatte er noch in einem Café etwas gegessen. Er hatte jetzt nicht die Nerven, sich noch was zu kochen. Zu Hause angekommen, ließ er sich in einen Sessel fallen und schaltete den Fernseher  ein, um sich etwas abzulenken, doch seine Gedanken kreisten nur um seinen verschwundenen Freund. Was ist passiert? Wo steckst du? fragte er sich voller Unruhe. Plötzlich horchte er auf, als er den Namen Ben Winkler im Fernsehen hörte und machte lauter. “Seit ungefähr sieben Tagen wird der Arzt Ben Winkler vermisst. Er war zu einem Angelausflug aufgebrochen und seitdem fehlt von ihm jede Spur. Ben Winkler ist 32 Jahre alt, ca. 1,90m groß, hat dunkle kurze Haare und braune Augen”, hörte er die Sprecherin sagen. Bens Bild wurde im Hintergrund eingeblendet. “Wer hat diesen Mann in den letzten sieben Tagen gesehen oder mit ihm gesprochen? Sachdienliche Hinweise bitte an alle Polizeistellen im Raum München”.  Ulf stand aus dem Sessel auf und fing an, nervös hin- und herzulaufen.

Dann nahm er sein Handy, suchte die Nummer eines Bootsverleihs und mietete sich ein Motorboot für den nächsten Morgen. Schnell suchte er noch ein paar Sachen zusammen und ging schlafen. Der nächste Tag würde anstrengend werden. Ulf hatte vor, sofort in der Frühe mit dem Boot den ganzen See abzufahren und nach seinem Freund zu suchen. Vielleicht lag Ben ja verletzt irgendwo am Ufer. Da er sein Handy in der Hütte gelassen hatte, konnte er keine Hilfe rufen. Verflixt! An Schlaf war einfach nicht zu denken. Immer wenn er die Augen schloss, sah er seinen Freund verletzt am See liegen. Um ein Uhr stand er auf, zog sich an und stieg in sein Auto. Er würde zur Hütte fahren und dann morgen früh sofort seine Suche starten. Als er am See ankam, legte er sich in die Hängematte und wartete, dass es hell wird. 

 

Als Ben aus seinem Zimmer trat, stand er auf einer Terrasse, die aus einem Felsen heraus gehauen war. Sie war umrandet von weiteren Zimmern.  Er sah einen langen Tisch und Stühle. Der Fremde schien schon auf ihn zu warten. Ben ging auf ihn zu und setzte sich zu ihm. “Ich hab mir schon gedacht, dass ihr nicht lange auf euch warten lasst”. Sein Gastgeber schmunzelte. “Ich finde einfach keine Ruhe”, antwortete Ben. “Wo bin ich und wer sind Sie?” “Mein Name ist Taenaron”, begann der Fremde. “Und ihr seid in Devaness”. “Devaness? Nie gehört. Wo soll das sein?”, fragte Ben verwirrt. “Devaness ist ein sehr, sehr altes unterirdisches Reich”, antwortete Taenaron. “Einst lebten auch wir über der Erde. Dann gab es einen fürchterlichen Krieg mit den Milesiern. Nun, was soll ich sagen, wir haben verloren und wurden unter die Erde verbannt”. “Unterirdisch?” Ben sah sich um. “Wie kann das sein”? fragte Ben, “es ist taghell?” “Das kommt von Kristallen, die so in der Decke der Höhle angebracht sind, dass das Licht von der Oberfläche gleichmäßig in der Höhle verteilt wird”, erklärte Taenaron. “Ah, aber wie bin ich hierher gekommen”? “Der junge Nuvian, der Sohn des Schmieds, hat euch bewusstlos da unten am See gefunden und zu mir gebracht. “Ihr müsst aus der Welt der Menschen hergekommen sein”, antwortete Taenaron nachdenklich.  “Welt der Menschen? Seid ihr denn keine Menschen?“. Ben war verwirrt. “Wir sind Sidhe…oder in eurer Sprache Feen”. Ben machte große Augen. “Aber nun mal zu euch. Was ist das Letzte, woran ihr euch erinnern könnt, bevor ihr hierher kamt”? Ben überlegte. “An nichts”! Er sah Taenaron entsetzt an. “Das letzte woran ich mich erinnere ist, wie ich hier in einem Bett aufgewacht bin”.  “Wisst ihr wenigstens euren Namen, damit ich weiß wie ich euch anreden kann”? Wieder überlegte Ben angestrengt und schüttelte dann niedergeschlagen den Kopf. “Nun, wenn das so ist, gestattet mir, euch einen Namen zu geben”. Solange ihr hier seid, werden wir euch Mitha nennen”. “Mitha”, wiederholte Ben den Namen gedankenverloren. Den Namen hatte er schon mal gehört, wusste aber nicht mehr wo und wann das war. “Kommt…ich führe euch ein wenig rum”, riss Taenarons Stimme ihn aus seinen Gedanken. 

Sie gingen von der Terrasse aus durch einen großen Torbogen ins Haus. Eine steinerne Treppe führte in die untere Etage. Dort trafen sie die junge Frau wieder, die ihm das Essen gebracht hatte. “Das ist Meriel! Sie hilft mir im Haushalt”. Meriel nickte den beiden Männern kurz zu. “Meriel, dass ist Mitha",  stellte Taenaron vor. "Hallo Meriel, schön, Sie kennenzulernen". Mitha streckte ihr seine rechte Hand hin. Meriel schien für den Bruchteil einer Sekunde zu erstarren, nickte dann kurz ohne seine Hand zu beachten und verschwand. Irritiert sah Mitha Taenaron an. "Ich fürchte, jetzt habt ihr sie erschreckt. Als Dienerin ist sie es nicht gewohnt, so begrüßt zu werden. Ihr Gesicht war wirklich sehenswert". Taenaron konnte gar nicht aufhören zu lachen.